Mit der Einigung zur Reform des Strommarktes (EMD – Electricity Market Design reform) am 14. Dezember 2023 ist die EU einen Schritt weiter auf ihrem Weg zu einer unabhängigen, klimaneutralen Stromversorgung. Der Vorschlag war als Reaktion auf die stark gestiegenen Preise infolge des russischen Angriffskriegs entstanden und hat einen stärkeren Schutz der Verbrauchenden vor schwankenden Strompreisen, eine Stabilisierung der Strommärkte und eine Verbesserung der Marktbedingungen zum Ziel. Unter anderem sollen dafür Änderungen beim Energy Sharing sowie bei zweiseitigen Differenzverträgen und langfristigen Stromlieferverträgen eingeführt werden. Die Einigung muss nun vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten genehmigt und formell angenommen werden, bevor die Reform in Kraft treten kann. Mit dem Abschluss des Prozesses ist noch vor der EU-Wahl im Juni 2024 zu rechnen.
Zweiseitige Differenzverträge
Ein Schwerpunkt der Richtlinie liegt auf der Einführung sogenannter zweiseitiger Differenzverträge – auf Englisch Contracts for Difference (CfDs). Dabei handelt es um eine Ausweitung des aktuell angewendeten Marktprämienmodells, bei der neben der Absicherung des Strompreises nach unten auch eine Abschöpfung bei überhöhten Börsenstrompreisen eingeführt wird. Dadurch soll einerseits Investitionssicherheit erhalten bleiben und gleichzeitig sollen übermäßige Schwankungen an der Strombörse verhindert werden, wie sie zum Ende des Jahres 2022 zu beobachten waren. Eingeführt werden soll dieses neue Preismodell unter anderem für neu installierte Anlagen im Bereich Wind- und Wasserkraft, Solar und Geothermie, sowie ggf. für Anlagen im Repowering. Die Mitgliedsstaaten müssen CfDs oder Preissysteme mit der gleichen Wirkung bis spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie einführen. Für die nationalen Gesetzgeber besteht dabei ein Handlungsspielraum bei der Frage, ob kleinere Erneuerbare-Energien (EE)-Anlagen ausgeschlossen werden.
Private Stromverträge
Mit sogenannten Power Purchase Agreements (PPA) – bei denen es sich um private Stromverträge handelt – will die EU noch eine weitere Vertriebsart vorantreiben. Diese Form der Stromabnahme wird aktuell vor allem von Industrieunternehmen und anderen großen Stromverbrauchenden verwendet, soll zukünftig aber auch kleineren Abnehmenden zugänglich gemacht werden. Dafür enthält die Richtlinie einen Aufruf zur Entwicklung standardisierter Verträge. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass es Stromabnehmenden ermöglicht werden soll, mehr als einen Stromliefervertrag abzuschließen.
Energy Sharing
Darüber hinaus wird durch die Strommarktreform ein eigener Artikel zum Energy Sharing eingeführt. Dies soll Energiegenossenschaften und anderen kleinen und mittelständischen Unternehmen und Haushalten – den sogenannten aktiven Kund:innen – ermöglichen, den Strom aus ihren eigenen EE-Anlagen über das öffentliche Netz miteinander zu teilen. Absehbar ist darüber hinaus allerdings, dass auch größere Marktakteure die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten können. Diese können dann aber den Strom aus Erzeugungsanlagen nur bis zu einer Gesamtleistung von 6 MW einbinden. Die Anlagen können dabei sowohl im Eigentum der aktiven Kund:innenen liegen als auch von Dritten gemietet werden. Für Abrechnungs- und Kommunikationszwecke und das Management der flexiblen Stromlasten kann auf ein externes Dienstleistungsunternehmen (sog. Energy Sharing-Organisator) zurückgegriffen werden. Teilnehmende Einzelhaushalte mit einer installierten Leistung von bis zu 10,8 kW (optional bis zu 30 kW) und Mehrfamilien mit bis zu 50 kW (optional bis zu 100 kW) werden sogar komplett von Versorgerpflichten befreit. Die Umsetzung eines geeigneten IT-Systems wird den Netzbetreibenden auferlegt. Innerhalt von 24 Monaten nach Inkrafttreten kann die Regelung in nationales Recht überführt werden. Bei der genauen Ausgestaltung einiger Details wie dem geografischen Rahmen und der Gestaltung der Netzentgelte besteht ein Spielraum für den deutschen Gesetzgeber.
Als Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV haben wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnerorganisationen aktiv in den Prozess eingebracht. Bereits seit längerem setzen wir uns für die Einführung von Energy Sharing in Deutschland ein und begrüßen daher die Festlegung auf europäischer Ebene. Unter anderem haben wir uns im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses für eine Streichung der Regel ausgesprochen haben, dass Dritte und große Unternehmen ebenfalls Energy Sharing durchführen dürfen. Weiterhin werden wir den Prozess bis zur formellen Verabschiedung sowie die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht eng verfolgen und uns dabei für die Interessen der Energiegenossenschaften einsetzen.